Vierzehn unter einem Dach
Stellantis ist zum nunmehr viertgrößten Fahrzeughersteller der Welt avanciert
Stellantis? Nie gehört? Wer ein Fahrzeug aus der Fiat-Gruppe oder einen Peugeot, DS oder Citroën aus der PSA-Gruppe oder einen Opel fährt, hat mit Sicherheit schon davon gehört. Doch verbindet wohl noch nicht jeder mit diesem Namen eine erst 2021 in den Niederlanden gegründete europäisch-US-amerikanische Aktiengesellschaft – zum Zwecke der Fusion der Automobilkonzerne Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und der Peugeot S.A. (PSA).
Das bedeutet aber auch, dass im Konzern jetzt 14 automobile Marken – Fiat inklusive Fiat Professional, Alfa Romeo, Lancia, Maserati, Abarth, Jeep, Chrysler, Dodge, Ram Trucks, Peugeot, Citroën, DS Automobiles, Opel und Vauxhall sowie der Zulieferer Mopar unter einer Decke stecken. In natura kann man das zum Beispiel in den großen Niederlassungen des Fiat-Konzerns besichtigen, wo sich die genannten Marken mit ihren Modellen Seite an Seite präsentieren.
Produziert wird vor allem in Europa und Nord- und Südamerika, aber auch in China, Nordafrika und in der Türkei. Die Produktion im russischen Werk in Kaluga ruht vorübergehend seit einem Jahr. Ziel der Fusion war natürlich nicht zuletzt, Kosten, beispielsweise für Entwicklung und Einkauf, zu senken. Durch Synergien sollen jährlich rund fünf Milliarden Euro eingespart werden.
Denn eins ist klar: Der Wettbewerb wird immer härter, wobei nun auch noch China eine Fülle hochmoderner Automobile auf den Markt bringt. Da heißt es, zu rationalisieren und zu investieren. Stellantis plant, innerhalb der nächsten zwei Jahre 30 Milliarden Euro in Elektrifizierung und Software zu stecken. Und eine automobile Neuheit folgt der anderen. Hier eine kleine Auswahl.
Vier neue vollelektrische Modelle will Jeep bis 2025 in Europa auf den Markt bringen. Den Anfang macht das Kompakt-SUV Avenger, das bereits auf dem Markt ist. Es folgen der Recon und der neue Wagoneer sowie ein neues Premium-SUV in der Mittelklasse. Zur Zeit sind Wrangler, Renegade und Grand Cherokee als Mild- oder Plug-in-Hybrid unterwegs.
Und auch der Compass. Mit ihm hat Jeep einen Bestseller im Programm – rund 40 Prozent aller Jeep-Kunden entscheiden sich derzeit für dieses Modell. Nun wurde das Motorenangebot weiter elektrifiziert. Der Compass Plug-in-Hybrid mit Allradantrieb ist das Topmodell der Baureihe. Rein elektrisch kommt man mit ihm 46 Kilometer weit – das reicht zumeist, um im Stadtverkehr emissionsfrei unterwegs zu sein. Dieses Hybrid-Modell gibt es in zwei Versionen – als 1,3-Liter-Benziner mit 96 kW/130 PS oder 132 kW/180 PS und jeweils einem Elektromotor an der Hinterachse mit einer Leistung von 44 kW/60 PS.
Ist der Akku voll aufgeladen, startet das Fahrzeug generell im Elektromodus. Seinem Gewicht von rund zwei Tonnen ist es geschuldet, dass der bei einem Elektroauto gewohnte Blitzstart an der Ampel ein bisschen verhaltener ausfällt. Dafür könnte der E-Motor ein paar PS mehr gebrauchen. Im Kurztest bei eingeschalteter Klimaanlage, aber möglichst Strom sparender Fahrweise schaffte der Compass eine rein elektrische Reichweite von 41 Kilometern. Das ist okay.
Der Verbrauch wird mit 1,9 Litern Kraftstoff zuzüglich des Stromverbrauchs auf 100 Kilometern angegeben Das bezieht sich allerdings nur auf jeweils 100 Kilometer, dann müsste der Akku wieder voll aufgeladen werden. Insofern sind derartige Verbrauchsangaben, die aber fast jeder Hersteller so berechnet, irreführend. Die Fahrleistungen insgesamt können sich sehen lassen: In 7,3 Sekunden schafft der Compass die Beschleunigungsfahrt von Null auf Tempo 100; die Spitzengeschwindigkeit wird bei 200 km/h erreicht. Gegenüber dem Vorgänger gibt es mehr und bessere Fahrer-Assistenten. Nicht zufrieden stellt allerdings die Verkehrszeichen-Erkennung.
Auch Alfa Romeo konzentriert sich auf die Elektrifizierung seiner Modellpalette. Ab 2027 will man nur noch E-Autos anbieten. Für 2024 stellt die Marke einen neuen SUV-Kleinwagen in Aussicht – den Brennero. Er wird als Mild- und Plug-in-Hybride geplant, aber auch als erstes rein elektrisches Modell der Marke mit einer Reichweite von 200 Kilometern angeboten. Wichtigste Neuheit der Marke ist derzeit der Alfa Romeo Tonale – ein chices kompaktes SUV mit Premiumcharakter, auch in punkto Qualität, was nicht immer das besondere Kennzeichen eines Alfa Romeos war. Sein Motorenprogramm umfasst zwei Mildhybrid-Versionen, einen Plug-in-Hybrid sowie einen Dieselmotor. Die Ottomotoren werden mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe oder einer Sechsgang-Wandlerautomatik angeboten. Der 1,6-Liter-Turbodiesel, der 96 kW/130 PS leistet, ist mit einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe kombiniert.
Im Kurztest konnte der Mildhybrid mit einem 1,5-Liter-Turbobenziner in Verbindung mit einem 48-Volt-System aber auch in punkto Fahrspaß überzeugen. Rangieren oder parken oder im Stau voranzuckeln kann der Mildhybrid auch rein elektrisch. Sowohl im Stadtverkehr, als auch über Landstraßen macht der Tonale e-Hybrid mit einer Leistung von 118 kW/160 PS und einem maximalen Drehmoment von 240 Nm eine gute Figur. Auf der Autobahn fehlt ein bisschen der Pfiff. Die Spitze von angegebenen 212 km/h haben wir nicht erreicht. Macht aber auch keinen Sinn – schon bei Tempo 180 wird es recht laut im Tonale.
Die Federung ist straff, die Lenkung präzise. Der Verbrauch hält sich in Grenzen. Im Drittelmix liefen rund sechs Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern durch – ein sehr ordentlicher Wert. Als erster Alfa Romeo verfügt der Tonale über eine Fünfjahres-Garantie. Und er ist weltweit als erstes Serienmodell mit der sogenannten NFT-Technologie (Non-Fungible Token) ausgestattet. Ein digitales Scheckheft speichert dabei alle Fahrzeug- und Werkstattdaten – sofern der Kunde das erlaubt. Damit erhält er ein fälschungssicheres Dokument seines Fahrzeug.
Innerhalb der nächsten zwei Jahre wird auch Stellantis-Mitglied Peugeot neue Elektromodelle auf den Markt bringen – fünf an der Zahl. Das betrifft unter anderem Versionen des 308, des 3008 und des 5008. So soll Ende dieses Jahres der Peugeot e-3008 mit einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern vorgestellt werden. Bis dahin steht der herkömmliche 3008 zur Wahl – und das ist beileibe keine schlechte! Zum Einsatz kommen Benzinmotoren mit Leistungen von 96 kW/130 PS bis 220 kW/300 PS und ein 96 kW/131 PS starker Dieselmotor – in Kombination mit Schaltgetriebe, Doppelkupplungsgetriebe oder Automatik. Darunter sind verschiedene Hybrid-Versionen.
Basismodell ist der 1.2 PureTech 130, mit einer Leistung von 96 kW/130 PS und einem maximalen Drehmoment von 230 Nm ab 1750 U/min. Damit schafft das Fahrzeug eine Spitze von 188 km/h – wobei es recht laut wird – und den Beschleunigungslauf von Null auf Tempo 100 in 9,7 Sekunden. Ein bisschen mehr Temperament würde man sich wünschen, einen besseren Antritt. Schon aus diesem Grund würden wir eher zum Plug-in-Hybrid mit 220 kW/300 PS tendieren, der den Zweitonner in nur 5,9 Sekunden von Null auf Tempo 100 treiben kann. Der Verbrauch des 3008 1.2 PureTech 130, der von Peugeot mit Sechsgang-Schaltgetriebe oder Achtgang-Automatik ausgeliefert wird, wird mit 5,1 bis 5,2 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometer angegeben. In der Praxis liefen aber locker zwei Liter mehr auf dieser Distanz durch.
Was uns für den 3008 besonders einnimmt, ist das klasse Design, nicht vergleichbar mit dem Vorgänger. Es ist ein elegantes SUV, das sich in Stil, Form und Qualität absolut mit seinen Mitbewerbern messen kann. Oder sie sogar überflügelt. Im geschmackvoll designten Innenraum mit einem modernen Digitalcockpit mit 3D-Navikarte und 12,3 Zoll großem Display hinter dem kompakten Lederlenkrad sowie bequemen Sitzen kann man sich wohlfühlen.
Kommen wir zu den Konzernschwestern Citroën und DS Automobiles: Beide wollen ab 2024 nur noch Elektroautos und Plug-in-Hybride verkaufen. Schon jetzt hat Citroën eine kleine E-Flotte: den Citroën ë-C4, den Citroën ë-Berlingo, den Citroën ë-Jumpy und den Citroën ë-Spacetourer. DS Automobiles bringt den DS 3 und den DS 4 als E-Autos. Ein Renner ist derzeit vor allem der kompakte ë-C4, auch wenn er nur mit einer Reichweite von 350 Kilometern angegeben wird. In der Praxis schafft er das jedoch kaum, will man nicht zum Verkehrshindernis werden und auf die Klimaanlage verzichten.
Noch gibt es den C4 aber auch als Verbrenner. Kleinster Motor ist der 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner in den Leistungsstufen 74 kW/101 PS und 96 kW/130 PS. Einen Diesel gibt es auch noch, ebenfalls mit 96 kW/130 PS. Der Basismotor erweist sich für das Fahrzeug doch etwas zu träge. So nahmen wir den stärkeren 1,2-Liter-Motor etwas genauer unter die Lupe. Seine Fahrleistungen entsprechen weitgehend denen des Peugeot 3008 mit diesem Motor. Klar, an den Stellantis-Regalen bedienen sich alle zugehörigen Marken. Allerdings wird der Verbrauch mit 4,8 Litern Kraftstoff auf 100 Kilometern angegeben. Auch hier stimmt die Angabe nicht mit der Praxis überein, obwohl wir den Gasfuß nicht unnötig durchdrückten. Zwei Liter mehr sollte man auf dieser Strecke einrechnen.
Bei Opel geht es seit der Übernahme 2017 durch den französischen PSA-Konzern wirtschaftlich wieder bergauf. Schon ein Jahr später schrieben die Rüsselsheimer schwarze Zahlen. Seit 2021 gehört auch Opel zum Stellantis-Konzern und fährt damit bisher ganz gut. Alle künftigen Opel-Modelle teilen sich das technische Grundgerüst mit den Schwestermodellen von Peugeot, Citroën und DS, und bis 2024 sollen alle Baureihen elektrifiziert sein. Neu aufgelegt werden Insignia und Manta als E-Autos. Außerdem wird es mit dem Astra Sports Tourer Electric einen der ersten E-Kombis überhaupt geben.
Derzeit ist der neue Astra als Limousine und als Kombi, der bei Opel Sports Tourer heißt, zu haben. Wobei Letzterer die weitaus größere Bedeutung hat. Immerhin entscheiden sich über zwei Drittel der Astra-Kunden für einen Kombi. Derzeit kann man das Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselmotor sowie als Hybridversion bestellen. Egal, mit welcher Motorisierung: Das Fahrzeug ist in Form und Funktion echt gelungen.
Kleinster Motor ist auch hier ein 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner in den Leistungsstufen 110 und 130. Wie bei den anderen Modellen im Konzern, sollte man sich dann schon für die Leistungsstufe 96 kW/130 PS und das dazu optionale Achtstufen-Automatikgetriebe entscheiden. Der Motor entfaltet im Astra ST seine Leistung recht gleichmäßig, die Motorengeräusche allerdings deutlich ansteigend. Die Spitze erreicht das Fahrzeug bei 210 km/h, beim Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 vergehen 9,7 Sekunden. Den Verbrauch gibt Opel mit 5,7 Litern Kraftstoff auf 100 Kilometern an – in der Praxis waren es knapp sieben Liter auf dieser Distanz.
Eva-Maria Becker
Fotos: Werk
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