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Die erste Elektrofahrzeug-Euphorie ist erstmal durch

 Jaguar Land Rover und Mercedes-Benz werden länger als geplant an Verbrennern festhalten

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Die Rechnung ist nicht aufgegangen: Mit ihrer großzügigen Förderung von Elektroautos haben die Regierenden einen anhaltenden Boom auf diese Art angetriebener Pkw erwartet. Erstmal sah es danach aus, dass die Autofahrer – leichter oder schwerer – vom Verbrenner Abschied nehmen. Im Hintergrund die Drohung: Bald werden keine Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotor mehr produziert. Mancher Hersteller wollte das möglichst schon morgen einleiten, mancher wollte zunächst nur für jede Modellart eine Elektro-Alternative anbieten. Manches Werk ist schon komplett umgerüstet worden, und weil für die Produktion von Elektroautos weniger Personal benötigt wird, war der Stellenabbau unvermeidlich. Auch die Zulieferer erwischte die Adhoc-Umstellung kalt. Viele Teile werden nicht mehr benötigt – vor allem Getriebe, Keilriemen, Zündkerzen, Zahnriemen, Ölfilter, die Auspuffanlage und die Kupplung.

Und wie sieht es heute aus, nach dem abrupten Ende der staatlichen Förderung? Wie es zu erwarten war: Das Geschäft mit den noch recht teuren Elektroautos ist eingebrochen. Bald schon beruhigten einige Hersteller die potentiellen Kunden und übernahmen die Förderung ganz. Damit verdienen sie aber nun noch weniger als bisher beim Verkauf dieser Fahrzeuge. Solche mit Verbrennern bringen deutlich mehr in die Kasse. Und die Händler? Sie erreicht gerade eine Welle von zurückgegebenen Leasing-Fahrzeugen mit Elektromotor, die sie nur mit Mühe und zumeist ohne Gewinn verkaufen müssen. Flottenbetreiber und Autovermieter trennen sich von den kostspieligen Elektroautos und ersetzen sie durch Fahrzeuge mit herkömmlichen Antrieben. So plant Hertz, 20 000 elektrische Fahrzeuge aus dem Modellangebot zu nehmen. Und Sixt hat seinen Kunden schon mitgeteilt, dass künftig keine Tesla-Modelle mehr angeboten werden. Inzwischen rudern nun einige Hersteller zurück und betonen, dass sie zunächst noch am Verbrenner festhalten und die Komplett-Umstellung auf reine Elektroautos verschieben werden.

Warum sind diese Fahrzeuge mit den als sauber bezeichneten Antrieben noch immer keine Erfolgsgeschichte? Gründe gibt es einige. So erzeugen Elektromotoren zwar keine direkten Emissionen, wohl aber müssen die bei der Stromproduktion erzeugten Schadstoffe und CO2-Emissionen in die Bilanz aufgenommen werden. Zudem sind die CO2-Emissionen, die bei der Produktion dieser Fahrzeuge entstehen, durch die energieaufwendige Produktion der Batteriezellen deutlich höher als bei der Produktion von Verbrenner-Fahrzeugen.

Punkt 2: Die tatsächliche Reichweite von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen stimmt nicht mit den Angaben der Hersteller überein. Je kälter oder je heißer es ist, je mehr Verbraucher wie beispielsweise die Klimaanlage man nutzt und je schwerer das Fahrzeug beladen ist, umso schneller entlädt sich der Akku. Außerdem spielt der individuelle Fahrstil eine wichtige Rolle.

Punkt 3: Die Unsicherheit über die tatsächliche Reichweite lässt den Fahrer eher als wirklich nötig eine Ladesäule suchen. Und das kann gründlich schiefgehen, wie ich beim Test verschiedener Elektrofahrzeuge erfahren musste: Im Internet angegebene Lade-Standorte waren erst im Aufbau, Schnellladesäulen oft meilenweit nicht zu finden, Ladesäulen waren defekt oder in Wartung oder nur für Tesla-Stromer ausgelegt. Oder die Ladekarte funktionierte nicht. Auf längeren Fahrstrecken sind im Falle, man findet eine geeignete Säule, trotzdem längere Pausen unerlässlich. Entlang der Autobahnen sind inzwischen schon relativ viele Ladestationen verfügbar; gerade im ländlichen Raum sucht man oft vergebens.

Viele Menschen fragen sich zudem, ob die Netze nicht zusammenbrechen, wenn immer mehr Fahrzeuge, zum Beispiel am Abend, gleichzeitig aufgeladen werden sollen. Wer sich ein bisschen für Technik interessiert, wird sich zudem fragen, wie schnell eine solche Batterie verschleißt und ersetzt werden muss. Dabei ist die Batterie das teuerste Teil am Elektroauto. Ist ein Recycling möglich? Gibt es auf Dauer genügend der seltenen Grundstoffe für die Produktion der Batterien? Und schließlich: Wenn es zum Crash kommt und das Fahrzeug brennt – weiß jeder Retter, wie ein solches Fahrzeug zu löschen ist?

Wie gesagt, im Moment scheint die Elektroauto-Euphorie an Fahrt zu verlieren, und das merken natürlich auch die Hersteller. Jaguar Land Rover (JLR) agierte lange in punkto Abschaffung der Verbrenner eher verhalten, weil das Unternehmen viel in die Optimierung ihrer Motoren gesteckt hat und nicht recht davon überzeugt war, ausschließlich Elektroautos zu produzieren. Möglicherweise am Kundenwunsch vorbei.

Und so setzt JLR auch weiterhin auf Verbrenner, auf die starken Dieselmotoren für die starken Fahrzeuge. Außerdem auf Plug-in-Hybride mit einem Elektromotor, der so rund 50 Kilometer rein elektrisch schafft und damit zumeist den Stadtverkehr bewältigen kann. Wer eine weitere Fahrstrecke vor sich hat, kann auf den Verbrenner vertrauen. Und wo der betankt werden kann, weiß jeder. Mit dieser Politik bleibt JLR angesichts vieler Unwägbarkeiten der Märkte und der Kundenwünsche weitgehend flexibel und kann sich alle Optionen offen halten.

Und das ist wichtig für das Unternehmen, das seine besten Zeiten so von 2015 bis 2018 hatte und ordentliche Gewinne erzielen konnte. Danach ging es spürbar bergab, trotz der attraktiven Modelle beider Marken. Unter der Leitung des neuen Vorstandschefs Adrian Mardell konnte nun aber im Geschäftsjahr 2023 wieder ein Gewinn eingefahren werden. Bis 2028 sollen 17 Milliarden Euro investiert werden, um an frühere Erfolge anknüpfen zu können. Erst 2039 soll auf Verbrenner verzichtet werden, und bis dahin dürften deutlich bessere, effizientere Batterien zur Verfügung stehen.

Jaguar F-Pace | Front

Schauen wir uns zwei Modelle an, die derzeit angeboten werden. Zunächst ein Jaguar – der F-Pace D300 mit seinem starken Dieselmotor. Das 4,75 Meter lange SUV zeigt sich kräftig und robust in Draufgängerart, mit langem Radstand und kurzen Überhängen, mit Schluppen bis zur Größe von 22 Zoll und immerhin 21,5 Zentimetern Bodenfreiheit fürs Gelände. Bei aller Robustheit umgibt den F-Pace eine relativ leichte Karosserie, die zu 80 Prozent aus Aluminium besteht. Die beeindruckende Front wird von einem großen Kühler und sehr schmalen Katzenaugen dominiert. Die Passagiere können sich in der geräumigen Kabine ordentlich ausbreiten, und ins Gepäckabteil passen je nach Stellung der Rückbanklehnen 470 bis 1428 Liter.

Nach einem Facelift wirkt das Interieur nun noch hochwertiger. Guten Komfort bieten die Vordersitze mit flügelartig geformten Kopfstützen, die elektrisch in der Höhe verstellbar sind. Auch die Rücksitze bieten bequem viel Platz und trotz abfallender Dachlinie ausreichend Kopffreiheit für große Passagiere. In Cockpit-Mitte sitzt ein 11,4-Zoll-Touchscreen, der sich wie ein modernes Smartphon bedienen lässt. Das 12,3-Zoll-Display im Kombiinstrument ist frei konfigurierbar und bietet eine 3D-Navigation. Zu den Fahrhilfen gehört das Kollisionswarnsystem, das als Teil des Surround-Kamerasystems den Fahrer beim Vorwärtsfahren unterstützt, wenn die Sicht nach vorn eingeschränkt ist.

Als Antriebe stehen drei Benziner, drei Diesel und ein Plug-in-Hybrid zur Wahl. Besonders genügsam ist der Einstiegs-Diesel mit 120 kW/163 PS. Sein Normverbrauch wird mit 4,8 Litern pro 100 Kilometer angegeben. Stärkster Diesel ist der D300 mit einer Leistung von 221 kW/300 PS. Der 3,0-Liter-Sechszylinder-Turbo ist mit einer Achtgang-Automatik kombiniert und leitet seine Kraft an alle vier Räder. Und macht einfach Spaß: Sein starkes Drehmoment von 650 Nm liegt im Bereich von 1500 bis 2500 U/min an. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei 230 km/h erreicht, und das Fahrzeug beschleunigt in 6,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Schon auf den kleinsten Gasbefehl reagiert das kultivierte Kraftwerk und kann blitzschnell antreten und durchziehen. Dabei bleibt das große Fahrzeug wirklich genügsam. Seinen Kraftstoffverbrauch gibt JLR mit 6,9 Litern pro 100 Kilometer an – in der Praxis lief auf dieser Distanz rund ein Liter mehr durch.

Land Rover Discovery Sport

Kommen wir zum zweiten Modell – dem Land Rover Discovery Sport P300e, der mit Hybrid-Technik für Fahrten auf und abseits der befestigten Straßen prädestiniert ist. Die Front des überarbeiteten Discovery Sport mit dem markanten Kühlergrill und den schmalen Scheinwerfern ähnelt der des ebenfalls sehr erfolgreichen Evoque. Wie dieser, hat der Discovery Sport eine abfallende Dachlinie und ein schmales Heckfenster. Platz ist genug im Discovery Sport. Es ist sogar eine dritte Sitzreihe lieferbar, so dass bis zu sieben Personen mitfahren können. Der Gepäckraum des Fünfsitzers fasst 963 bis 1574 Liter.

Land Rover Discovery Sport | Cockpit

Als Antriebe stehen zwei Diesel und zwei Benziner zur Wahl. Außerdem bietet JLR für den Discovery Sport mit dem P300e auch eine Variante mit Plug-in-Hybrid-Antrieb an. Das Fahrzeug kann damit 57 Kilometer rein elektrisch vorankommen. Zwar ist der Disco kein „reiner“ Geländegänger, kann jedoch auf Sand und Matsch, auf Schotter und Fels einen souveränen Eindruck hinterlassen. Bis zu einer Wattiefe von 60 Zentimetern durchquert er kleine Bäche und bleibt auch bei einer Seitenneigung von 30 Prozent – da gibt das Popometer schon Alarm! – richtig stabil. Am Berg wird die Traktion automatisch den Erfordernissen von Untergrund und Steilheit angepasst, bergab kommt die Hill Descent Control zum Einsatz. Der Fahrer muss – mit etwas Mut und Vertrauen – nur noch lenken.

Ach, übrigens: Ganz aktuell rudert auch Mercedes-Benz zurück und hat seine Erwartungen beim Umstieg auf Elektromobilität zurückgeschraubt. „Das Tempo der Transformation bestimmen die Marktbedingungen und die Wünsche der Kunden“, erklärt Mercedes-Benz jetzt. Recht so!

Eva-Maria Becker

Fotos: Werk

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